ANTRIEBSSTARK


Tomiko Takeuchi ist die Entwicklerin des ersten rein elektrischen Modells von Mazda, des MX-30 (Energieverbrauch kombiniert 17,9 kWh/100 km, CO2-Emissionen 0 g/km, CO2-Klasse A), und eine der besten Testfahrerinnen des Unternehmens. Mazda Stories hat sie getroffen.

„DA WAR EIN ÜBERWÄLTIGENDES GEFÜHL VON STOLZ. ABER ZUGLEICH GRENZENLOSES ERSTAUNEN."

Als Tomiko Takeuchi 2015 zur ersten weiblichen Programm-Managerin von Mazda ernannt wurde, konnte sie nicht glauben, dass sie nach so vielen Jahren ihren Traumberuf erreicht hatte. Mit der Beförderung kam allerdings eine enorme Belastung auf sie zu. Sie musste die Verantwortung für die gesamte Entwicklung eines neuen Modells über - nehmen, von der Planung und Gestaltung über das Marketing, die Logistik und den Verkauf bis hin zum Kundendienst. Auch die Erarbeitung eines profitablen Geschäftsplans war ihre Aufgabe.

Takeuchi erinnert sich: „Mein Vorgesetzter informierte mich über die Beförderung, als ich gerade auf Geschäftsreise in Kagoshima war. Ich weiß noch, dass ich es im Shinkansen-Hochgeschwindigkeitszug zurück zum Mazda Hauptsitz in Hiroshima nicht geschafft habe, ein Nickerchen zu machen. Mein Herz schlug wie wild. Ich fand die neue Verantwortung ungemein aufregend, aber sie machte mir auch etwas Angst.“ Schließlich würde sie in Kürze mit der Entwicklung eines für Mazda so bedeutenden Modells betraut werden. Aber ihr Chef war sicher, dass sie die Richtige für den Job war. Er meinte, die Wahl sei auch deshalb auf sie gefallen, weil sie Druck aushalten könne, „so groß er auch sein mag“. Beharrlichkeit und Entschlossenheit waren zwei ihrer Tugenden, die ihr in den nächsten Jahren oft zugutekommen sollten.

So begann ihre Karriere als Programm-Managerin für den Mazda MX-30, das erste rein elektrische Serienmodell aus dem Hause Mazda. Doch es war nicht das erste Mal, dass sie bei Mazda von sich reden machte…

Als Takeuchi 1997 frisch von der Universität kam und beim Unternehmen einstieg, wurde man schnell auf sie aufmerksam. Schon nach zwei Jahren ernannte man sie zur ersten weiblichen Testfahrerin von Mazda. Rückblickend meint sie, diese Laufbahn sei für sie vorbestimmt gewesen: „Meine Eltern hatten zwar keinerlei Interesse an Autos. Doch ich war seit meiner Kindheit immer begeistert von Flug- und Fahrzeugen. Ich schlug eindeutig aus der Art!“

„Es war eigentlich ganz natürlich für mich, dass ich bei Mazda gelandet bin: Zum einen entdeckte ich meine Liebe zum Autofahren schon als Studentin, als ich mir mein erstes Auto anschaffte, und zum anderen bin ich nun einmal ein Kind aus Hiroshima. 

1999 habe ich als Testfahrerin bei Mazda angefangen und war die nächsten zehn Jahre mit der Bewertung von Serienmodellen und Prototypen betraut.“

Mit harter Arbeit und Talent machte Takeuchi, die selbst im Laufe der Jahre einen Mazda Carol und einen Mazda MX-5 der ersten Generation besaß, auf sich aufmerksam. Mazda hat ein eigenes Bewertungssystem für Testfahrer, das mit Berufseinsteigern beginnt und beim Meisterfahrer endet. 2004 erhielt Takeuchi eine der drei Sonderlizenzen der Spitzenkategorie, die A-Lizenz – als erste Frau bei Mazda überhaupt. „Bis heute bin ich die einzige weibliche Testfahrerin mit dieser Sonderlizenz“, so Takeuchi. Als die beiden Modelle, auf die sie wesentlichen Einfluss hatte, nennt sie den Mazda MX-5 und den Mazda2.

Trotz ihrer steilen Karriere bei Mazda gibt sie freimütig einen Schwachpunkt zu: „Ich habe schon hinter dem Steuer etlicher Testfahrzeuge gesessen und bin in vielen Ländern herumgefahren. Aber jedes Mal schaffe ich es, mich zu verfahren! Mir fehlt wohl einfach die Orientierung. Einmal habe ich mich sogar in einem Hotel verlaufen!“

Die mangelnde Orientierung auf der Straße beeinträchtigte zum Glück nicht ihre Zielstrebigkeit bei Mazda, wo sich ihre zehnjährige Erfahrung als Testfahrerin als unschätzbare Karrierehilfe erwies. „Dank dieser Lehrjahre konnte ich mir das Wissen für die Bewertung von Autos bis ins kleinste Detail aneignen. Aufgrund meiner Berichte konnten die Ingenieure die von mir getesteten Fahrzeuge feinabstimmen, um daraus ein fertiges Serienmodell zu entwickeln.“

Dieses Know-how erwies sich gerade bei der Entwicklung des Mazda MX-30 als unschätzbar. Bei mehr als 1.000 Projektbeteiligten aus aller Welt ist es unerlässlich, dass ein Programm-Manager seine Vorstellungen klar kommuniziert, damit das Team fokussiert bleibt. Dank ihrer Erfahrung als Testfahrerin war Takeuchi wie geschaffen, die Entwicklung des ersten E-Modells von Mazda zu leiten.

„ICH HABE IN DEN SITZUNGEN IMMER DAS TEAM ZU WORTE KOMMEN LASSEN – EINE BEWUSSTE ENTSCHEIDUNG, UM JEDEM GENAU ZUHÖREN ZU KÖNNEN UND ANSCHLIESSEND DEN BESTEN WEG FÜR UNS ALLE ZU FINDEN“

 

Allerdings ging das Projekt MX-30 alles andere als reibungslos über die Bühne. „Es war ungewöhnlich problematisch“, meint Takeuchi. „Als unser erstes serienmäßiges E-Auto war es ein absolutes Novum. Wir fingen sozusagen ganz von vorn an. Im Verlauf der Entwicklung wurden Design und Spezifikationen so oft verändert, dass wir immer wieder zurück ans Zeichenbrett mussten. Deshalb kann ich dem Team gar nicht genug danken. Ich war mir bewusst, dass wir – ganz gleich wie fortschrittlich die Autoproduktion heute ist – Projekte wie den Mazda MX-30 nur dank des kollektiven Willens und der harten Arbeit aller Beteiligten realisieren können.“

Doch selbst wenn sich alle mächtig ins Zeug legen, braucht es jemanden an der Spitze, der das Team inspiriert – und genau damit ist Takeuchis Führungsstil beschrieben. „Ich habe in den Sitzungen immer das Team zu Wort kommen lassen – eine bewusste Entscheidung, um jedem genau zuhören zu können und anschließend den besten Weg für uns alle zu finden. Schließlich bin ich kein Experte für jeden Teilaspekt eines Fahrzeugs. Ich persönlich finde es nicht richtig, wenn jemand versucht, etwas im Alleingang durchzuziehen.“

Wenn der Mazda MX-30 dieses Jahr in den europäischen Showrooms eintrifft, hat Takeuchi eine wichtige Etappe hinter sich gebracht. Damit ist ihre Arbeit aber längst nicht getan. Dass sie die erste weibliche Programm-Managerin in der Geschichte des Unternehmens ist, spielt für sie keine große Rolle. Ihrer Ansicht nach sollten viel mehr Frauen leitende Positionen in der Automobilbranche einnehmen.

„Wir müssen Autos entwickeln, die schon Kindern und jungen Erwachsenen Spaß machen und in denen sie sich wohlfühlen, Autos, die sie immer wieder genießen möchten“, erklärt sie. „Und ich glaube, dass Frauen in dieser Hinsicht genauso viel Kompetenz und Gespür haben wie Männer.“

„Autos sind nicht mehr nur dazu da, jemanden von A nach B zu bringen. Die Menschen müssen die Zeit, die sie im Auto verbringen, genießen. Wenn uns das gelingt, steigt auch die Zahl derjenigen, die gern fahren,“ sagt eine Frau, die selbst durch die Freude am Fahren zu ihrer Bestimmung gefunden hat.