4WS-Allradlenkung - Das erste elektronische Vierrad-Lenksystem

  • Mazda MX-02 mit nie dagewesener Allradlenkung auf Tokyo Motorshow 1983
  • Auf der IAA 1985 prĂ€sentiert Mazda MX-03 mit verfeinerter Allradlenkung 4WS
  • SeriendebĂŒt der elektronisch gesteuerten Allradlenkung 1987 im Mazda 626 4WS

Die 1980er Jahre sind ein Jahrzehnt revolutionÀrer Neuerungen in der Antriebs- und Fahrwerkstechnik. Vorweg fÀhrt einmal mehr Mazda, zunÀchst mit dem Konzeptfahrzeug MX-02, das auf der Tokyo Motor Show 1983 Weltpremiere feiert.

Durch eine so noch nie dagewesene Allradlenkung entdeckt der MX-02 neue Wege fĂŒr mehr Fahrsicherheit und Dynamik. Zwei Jahre spĂ€ter prĂ€sentiert Mazda auf der Internationalen Automobil Ausstellung (IAA) in Frankfurt mit dem MX-03 ein Experimentalauto, bei dem die Allradlenkung 4WS (4 Wheel Steering) noch weiter verfeinert wird. Dabei handelt es sich um ein Vierrad-Lenksystem, das erstmals elektronisch gesteuert wird. Ebenfalls elektronisch gesteuert ist die Allradlenkung, die ihr SeriendebĂŒt 1987 im Mazda 626 4WS erlebt.

Damit ist der 626 4WS einer der beiden ersten Großserien-Pkw, die mit vier lenkbaren RĂ€dern ausgestattet sind. WĂ€hrend andere Hersteller sich bald wieder von diesem innovativen Prinzip abwenden, hĂ€lt Mazda vorlĂ€ufig daran fest und entwickelt es weiter. So ist das Mittelklasse-CoupĂ© MX-6 ab 1993 in der Spitzenversion ebenfalls mit dem 4WS-System lieferbar.

Wie funktioniert die Vierradsteuerung? Das erste 4WS-System im Mazda 626 basiert auf einer Zahnstangenlenkung mit hydraulischer Lenkhilfe. Die Hinterradlenkung wird durch die vorneliegende Ölpumpe hydraulisch betĂ€tigt und – abhĂ€ngig vom Lenkwinkel der VorderrĂ€der und der Fahrgeschwindigkeit – elektronisch gesteuert. Dazu geht eine Lenkwelle von der Zahnstange der Vorderradlenkung zur Phasensteuereinheit der HinterrĂ€der. Diese Einheit gibt die gewĂŒnschte Richtung und die GrĂ¶ĂŸe des Lenkeinschlags fĂŒr die HinterrĂ€der vor.

Die Einschlagrichtung wiederum ist abhĂ€ngig von der Stellung des Steuerjochs (je nach Fahrgeschwindigkeit)  und die GrĂ¶ĂŸe des Lenkeinschlags hĂ€ngt von der Drehung des Kegelrades durch die Lenkwelle ab. Die Änderung der Steuerjochstellung ĂŒbernimmt dabei ein elektrischer Stellmotor. Den Lenkwinkel der VorderrĂ€der ĂŒbertrĂ€gt die hintere Lenkwelle ĂŒber ein Kegelrad auf das Hauptkegelrad in der Phasensteuereinheit. Außerdem geben zwei Sensoren ihre Signale ĂŒber die Geschwindigkeit an die Phasensteuereinheit weiter. Einer der Sensoren befindet sich an der Tachometerwelle, der andere am Getriebeausgang. Sie ĂŒberprĂŒfen sich gegenseitig, um eine hohe Genauigkeit zu erreichen und einen Ausfall des Systems zu verhindern

Ein Steuerventil sorgt dafĂŒr, dass im Hydraulikzylinder der linken oder rechten Seite der Hydraulik Druck zugefĂŒhrt wird, der erforderlich ist, um die von der Phasensteuereinheit vorgegebene Einschlagrichtung und Lenkwinkel an den HinterrĂ€dern zu erhalten. In beiden Hydraulikzylindern befinden sich je ein Kolben und eine bewegliche Schubstange. Diese schlĂ€gt ĂŒber die seitlich sitzenden Spurstangen in AbhĂ€ngigkeit der Druckbeaufschlagung die RĂ€der ein. Eine Ölpumpe liefert den Hydraulikdruck fĂŒr die Vorder- und Hinterradlenkung. Sollte die Ölversorgung ausfallen, wird die Schubstange ĂŒber eine Verriegelungsfeder in der Geradeausstellung blockiert. Damit sind ein normales Lenken mit den VorderrĂ€dern und ein einwandfreier Geradeauslauf sichergestellt.

Bei einem relativ geringen Tempo unter 35 km/h bewirkt das 4WS-System ein Gegenlenken, also ein Ausrichten der HinterrĂ€der entgegen der Richtung der VorderrĂ€der. Dies geschieht, um den Wendekreis zu verkleinern. Bei 35 km/h werden die HinterrĂ€der in die Geradeausstellung zurĂŒckgenommen und oberhalb dieser Geschwindigkeit ist ein Einschlag analog zu dem der VorderrĂ€der vorgesehen. Je weiter die VorderrĂ€der eingeschlagen werden, desto grĂ¶ĂŸer stellt sich der Winkel hinten ein. Die grĂ¶ĂŸten Lenkwinkel hinten betragen 5°.

Welche Vorteile bietet die Allradlenkung im Alltag? Der kleinere Wendekreis beispielsweise erleichtert in StĂ€dten das Einparken und Wenden. Die Reaktionszeit des Fahrzeugs auf LenkeinschlĂ€ge wird ĂŒberdies deutlich verkĂŒrzt und die Lenkgenauigkeit verbessert.

Zudem wird die fĂŒr Fronttriebler typische Untersteuerneigung weitgehend abgebaut. Vor allem aber sorgt das 4WS-System fĂŒr einen besseren Geradeauslauf bei hohen Geschwindigkeiten, in den elastizitĂ€tsbedingte Mitlenkeigenschaften eliminiert werden. Bei schnellen Fahrspurwechseln und Kurvenfahrten garantiert 4WS mehr Sicherheit und grĂ¶ĂŸere StabilitĂ€t.

Die meisten Hersteller, die sich an das innovative Prinzip der vier lenkbaren RĂ€der gewagt haben, stellen dessen Fertigung wegen hoher Kosten und des großen technischen Aufwands rasch wieder ein. Nur Mazda hĂ€lt an der neuen Technik vorlĂ€ufig fest. Ab 1993 ist das SportcoupĂ© MX-6 auf Wunsch mit Allradlenkung ausgestattet. Die 4WS-Technik entspricht weitgehend der aus dem 626. Im Detail gibt es aber einige entscheidende Unterschiede. So werden beim MX-6 die HinterrĂ€der bis zu einer Geschwindigkeit von 57 km/h entgegengesetzt zu den VorderrĂ€dern gelenkt (beim 626 4WS bis 35 km/h). Der maximale Lenkeinschlag betrĂ€gt beim MX-6 4WS 6°, ein Grad mehr als beim 626 4WS. Wie bei vielen genialen Erfindungen ist jedoch die Zeit noch nicht reif fĂŒr die Vierradlenkung. Die Kunden wollen den höheren Aufwand damals noch nicht honorieren und so findet schließlich der MX-6 4WS keinen Nachfolger.